PETER
VOITHOFER

Kopfsache Konjunktur

123RF

Was wir denken, wie wir eine Situation einschätzen, bestimmt zu einem guten Teil, wie wir mit Schwierigkeiten umgehen. Das Beste, was wir derzeit tun können, ist die Herausforderungen anzunehmen!

Die heimischen Betriebe stöhnen. Vieles, was vor einem Jahr noch undenkbar war, bereitet Unternehmern heute nahezu täglich Kopfzerbrechen. So bewegen sich die Großhandelspreise seit Monaten immer weiter in ungekannte Höhen: Im September sind sie um 20,6 Prozent höher als noch vor einem Jahr gelegen – nachdem die Jahresveränderungsrate im August bei 21,3 Prozent ausgemacht hat. Entscheidend für den Preisauftrieb sind unverändert Energieträger – aber nicht nur; auch exemplarisch Düngemittel und Agrarprodukte, wie zum Beispiel Getreide und Futtermittel. Hier haben sich die Preise im Jahresabstand teilweise mehr als verdoppelt – feste Brennstoffe haben sich um 120,3 Prozent verteuert.

In ihrer jüngsten Analyse geht die Österreichische Energieagentur für den November 2022 von einem Zuwachs des Österreichischen Strompreisindex (ÖSPI) gegenüber Oktober um 16,8 Prozent aus. Im Vergleich zum November des Vorjahres 2021 macht das Plus unglaubliche 342,2 Prozent aus. Doch nicht nur das Ausmaß der Steigerungen erschwert Kalkulationen und Anpassungen des betrieblichen Budgets, sondern auch die Schwankungsbreite mancher Preise.

Da die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Betriebe leidet, überlegt sich so mancher Unternehmer sogar, die Produktion zu verlagern – irgendwohin, wo entweder die Energiekosten geringer oder die Auflagen beispielsweise hinsichtlich Umweltschutz weniger streng sind. In den USA etwa liegen die Energiepreise bei rund einem Zehntel von jenen in Europa.

Große Verunsicherung beim Konsumenten

Zudem steigen in Österreich die Verbraucherpreise unbeirrt weiter: Im September um mehr als 10 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, und um 1,6 Prozent gegenüber August. Damit hat die Jahresteuerung vor dem Hintergrund des Russland-Ukraine-Krieges und des rapiden Zuwachses der Energiepreise den höchsten Stand seit Juli 1952 erreicht.

Ganz allgemein ist der Endverbraucher aufgrund der Verunsicherung, was genau jetzt im Winter auf die Menschen zukommen wird, mit seinen Ausgaben sehr zurückhaltend geworden. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) weist für die Monate Juli, August und September äußerst pessimistische Werte beim Konsumentenvertrauen aus – die Bevölkerung ist, was die Einschätzung der finanziellen Situation, der allgemeinen Wirtschaftslage und der Preisentwicklung in den kommenden zwölf Monaten anbelangt, so skeptisch wie nie zuvor (seit Beginn dieser Analysen im Jahr 1985).

2023 und 2024 werden herausfordernd

Im Klartext heißt dies, dass vieles im Wirtschaftsgefüge nach wie vor schwierig einschätzbar bleiben wird. Und es ist realistischerweise nicht damit zu rechnen, dass wir bereits den Höhepunkt der konjunkturellen Schieflage und der Herausforderungen gesehen haben. Viele Unternehmen stehen daher auf der Bremse, was nicht zwingend nötige Investitionen betrifft.

Für 2023 prognostiziert das Wifo in der jüngsten Konjunkturprognose einen anhaltenden Preisauftrieb und eine stagnierende Wirtschaftsleistung (2023 +0,2 Prozent). Österreichs Wirtschaft steuert erstmals seit den 1970er Jahren auf eine Stagflation zu.

Das Erfahrungswissen, was zu tun ist, wenn auf der einen Seite ständig steigende Preise oder deren erratische Entwicklung Kalkulationen immer wieder auf den Prüfstand stellen, Lieferprobleme oder das Dilemma der Bevorratung und der Lagerhaltung die Situation erschweren und auf der anderen Seite das Verbraucherverhalten unberechenbar geworden ist und zudem die Zinsen rasch steigen – und dies alles zeitgleich - fehlt uns; eben weil es erstmalig auftritt.

Nicht alles ist dunkelgrau

Konjunktur ist aber auch eine Kopfsache. Selbst 2008, zum Höhepunkt der globalen Finanzkrise, war die Stimmung nicht so düster. Denn die Situation in Österreich wird schlechter eingeschätzt als im Schnitt der EU-Länder. Die breite Öffentlichkeit ist sich dessen offenbar nicht bewusst, dass drei Viertel der Gelder aus den staatlichen Hilfsprogrammen den privaten Haushalten zugutekommen.

Wie so oft wird das Hauptaugenmerk auf negative Nachrichten gelegt. Unterdessen gibt es auch erfreuliche Schlagzeilen, die im allgemeinen Getöse untergehen: So haben die Preise von Halbleitern – abgesehen von Spezialchips – schon im Sommer begonnen zu fallen. Viele Branchen erleben keine Nachfragerückgang, sondern haben so volle Auftragsbücher wie selten zuvor. Und dem Fachkräftemangel begegnen innovative Betriebe erfolgreich mittels Social Recruiting.

Kostendeckung sicherstellen

Abgesehen von der Offenheit, die Unternehmer neuen Vertriebs- und Marketing- bis hin zu Personalanwerbungskanälen gegenüber zeigen sollten, müssen sie heute aktiv und mutig Veränderungen angehen. Es können auf der einen Seite strukturelle Anpassungen nötig sein, etwa die Verkleinerung von Verkaufsflächen bzw. Schließung einzelner Standorte, mit der sie die indexgebundene Erhöhung von Mieten bereits teilweise vorwegnehmen.

Auf der anderen Seite gilt es nach wie vor – fernab einer unbotmäßigen Spannenerweiterung – darüber nachzudenken, wie sich Kostendeckung erzielen lässt. Preiserhöhungen, die man in verträglichem Maß bei Kunden und Geschäftspartnern durchsetzt, müssen freilich gut argumentiert werden können. Die Überprüfung und Anpassung der Kalkulationen muss jedenfalls in Zeiten wie diesen mehrmals im Jahr durchgeführt werden, sonst könnte man beim Jahresergebnis unangenehme Überraschungen erleben. Transparente Gespräche sind die Voraussetzung für eine weiterhin vertrauensvolle Zusammenarbeit.

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